Im Jahre 1877 wurde die aufblühende Kleinstadt Kalofer am Fuße des Balkangebirges von den Türken niedergebrannt (bis 1878 war Bulgarien noch eine Provinz im Osmanischen Reich). Die Einwohner mussten danach einen schwierigen Weg gehen, erlebten Armut und Hunger. Der Wiederaufbau ihrer Stadt und ihrer Häuser war sehr mühsam.
Gerade in dieser schweren Zeit zog eine besondere Frau nach Kalofer - Ekaterina Karaminkova, deren Ehemann früher Konsul in Belgien gewesen war. Die Bewohner nannten sie liebevoll Eka. Das Elend nach der Zerstörung Kalofers waren ihr nicht entgangen. In ihrem Wunsch den Einwohnern im Wiederaufbau der Stadt zu helfen, brachte sie die ersten Muster Brüsseler Spitze mit. Darüber hinaus wurde Eka Initiatorin der Frauenvereinigung "Prosveshtenie" (Aufklärung) und lud Lehrer ein, die die Frauen von Kalofer in verschiedenen Fächern unterrichten sollten. Auch einige Kunsthandwerke einschließlich Spitzenklöppeln standen auf dem Schulplan. Eine der Lehrerinnen war die Tschechin Josa Hitova. Sie lehrte die Schülerinnen Kochen, Schneidern, Klöppeln.
In 1878 erlange Bulgarien die Unabhängigkeit. In der neuen freien Republik hat das Spitzenklöppeln einen großen Beitrag zum Wohlstand Kalofers geleiestet. Die Frauen fertigen gekonnt perfekte, wunderschöne Spitze an. Geschickte Händler aus der Stadt reisten durch Weteuropa und waren mit dem Verkuaf der Spitze sehr erfolgreich. Das Spitzenklöppeln wurde zu einem prestigeträchtigen und lukrativen Geschäft.
Ein anderer Name, den man mit der Kalofer Spitze verbindet, ist Donka Shipkova-Karanova, ein aufgewecktes und talentiertes Mädchen. Man beschloss sie auf die Schule für angewandte Künste in Sofia zu schicken (heute Nationale Kunstakademie). Da es aber kein Studiengang Klöppeln gab, bat man die Leitung den Kurs landesweit auszuschreiben, damit sich Interesseirte einschreiben können. Donka Schipkova blieb jedoch die einzige, die sich eingeschrieben hatte. Trotzdem lud man die tschechische Lehrerein Teresa Holekova.Der Studiengang sollte zwei Jahre dauern, die talentierte Donka absolvierte die Lehre aber nun in einem Jahr mit Auszeichnung. Nach dem Schulabschluss kehrte Donka Shipkova zurück nach Kalofer. Sie war die erste und einzige Bulgarin, die eine Berufsausbildung in Klöppeln bekommen hatte.
In September 1910, im Kloster "Mariä Himmelfahrt" in Kalofer, wurde eine Klöppelschlue eröffnet - die erste und einzige dieser Art in Bulgarien. Donka Shipkova wurde der erste Lehrerin. In einem Protokoll von 13. Juni 1949 ist festgehalten: " Das Spitzenklöppeln wird 1910 zum Lebensunterhalt der Frauen in Kalofer eingeführt ... von D. Chipkova-Karanova erste Lehrein..."
In den 34 Jahren, in denen die Schule existierte, wurdem 1800 Schülerinnen ausgebildet.
Donka Shipkova war sehr initiativ. Neben ihrer Lehrtätigkeit entwarf sie neue Muster mit bulgarischen stilisierten floralen Motiven: Rose, Eichenblatt, Weinblatt, Klee, Weizennähre, Sonne, Pfau. Sie war somit ein Innovator und schrieb eine Richtung vor, die nicht nur von ihren Schülerinnen, sondern auch von den weiteren Generationen bis heute gefolgt wird.
RÜCKBLICK
Händler brachten die Spitze von Venedig nach Brüssel - das heißt die Brüsseler Spitze ist in ihrer ursprünglichen Form venezianische Spitze. Die ersten schriftlichen Nachweise über das Klöppeln stammen aus Italien des 16. Jahrhunderts. Von Italien verbreitete sich das Klöppeln nach Spanien, Frankreich, Erzgebirge, Tschechien, Russland.
Die Klöppelspitze entschand als Verzierung für Kleidungsstücke - sie fand Platz an Manschetten, Dekolletés, Krägen, Röcken. Auch schöne Halsbänder wurden geklöppelt.
In Bulgarien fand man auch eine andere Verwendung für die filigrane Spitze - man schmückte nicht nur die Bekleidung sondern auch das eigene Zuhause. Die Frauen von Kalofer klöppelten Tischdecken, Tischläufer, Servietten. Man nähnte die Spitze an Bettwäsche, Kissen, Vorhänge. In Kalofer haben die Frauen durch ihre neuen Ideen und Muster das Spitzenklöppeln sehr bereichert.
Die Brüsseler Handklöppelspitze wird auch "Königin der Spitze genannt.